Seminar: Psychoanalyse und Film - Paradigmatische
Explorationen (53 291)
WS 2013/2014 Dr. phil.
Gerhard Scharbert, M.A · Dr. med. Martin Kleinschmidt
FS Mo 16-19
wöch. 4 SWS Inst. für Kulturwiss., Georgenstr. 47, Raum
0.10, Beginn 21.10.2013
martin.kleinschmidt@charite.de
gerhard.scharbert@hu-berlin.de
Kooperationsveranstaltung
des Institus für Kulturwissenschaft der Humboldt-
Universität und der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité
Berlin (Campus Mitte)
Nachdem wir im
letzten Semester die Beziehungsgeschichte zwischen Literatur, Psychoanalyse und
Film chronologisch und medientheoretisch am frühen Film behandelt haben, werden
wir nun übergreifende Frage- und Problemstellungen paradigmatisch an einzelnen
Filmen untersuchen.
Dabei soll nicht eine bestimmte "Interpretation" im Vordergrund
stehen, erst recht keine psychodynamische Analyse, sondern der Film soll aus
der Perspektive der strukturalen Psychoanalyse als ein optisches Medium ernst
genommen werden, an dem sich relevante Konstellationen nicht nur des Sehens und
der Wahrnehmung enthüllen.
Im Zentrum jeder Sitzung wird ein Film stehen, den wir zunächst gemeinsam
ansehen und anschließend besprechen. Zu jeder Sitzung / jedem Film wird ein
Text gelesen, der eine erste theoretische Grundlage für die Diskussion
bereitstellt.
Das
Genre des Gangsterfilms, naturgemäß vorwiegend mit Produktionen aus der Neuen
Welt, wird uns in diesem Semester einige Zugänge zu strukturalen Aspekten des
Begehrens eröffnen – und umgekehrt…
A. Gangsterpaare
21.10.
Begrüßung, Einführung und
Referatvergabe.
Ein ontogenetisch frühes Stadium werden wir
studieren in Bonnie & Clyde, USA
1967, R: Arthur Penn D: Warren Beatty, Faye Dunaway anhand des kanonischen
Ursprungstexts zum Spiegelstadium Jacques
Lacan: Das Spiegelstadium als Bildner der
Ich-Funktion, in: Lacan: Schriften, Bd I, p 61 – 70, Weinheim-Berlin 1986
28.10. Die Opposition der
Geschlechter beleuchten wir im weiteren in
Gloria, USA
1980, R: John Cassavetes, D: Gena Rowlands, die uns auf mehreren Wegen zum Signifikant des
Begehrens führen wird (das erste, aber nicht das letzte Mal): Jacques Lacan: Die
Bedeutung des Phallus, in: Lacan:Schriften, Bd. II, p
119-132, Weinheim Berlin 1986
04.11. Ein drittes, und diesmal perfektes Gangsterpärchen
schließlich The Getaway, USA
1972, R: Sam Peckinpah, D: Steve McQueen, Ali McGaw wird
uns bei der wichtigen Differenzierung unterschiedlicher Formen von Vektorisierungen subjektaler
Energien auf die Sprünge helfen: N.N. „Genießen, Anspruch und Begehren“
Jahrbuch für klinische Psychoanalyse Bd.nn.
B. Hysterie und
Zwangsneurose
11.11. Ab nun sind die Gangster alleine, weisen uns dafür aber den
Weg zum Neurosenpär-chen. Ein Prototyp des Gangsterfilms
Little Cesar, USA 1931, R: Mervin LeRoy, D: Edward G.
Robinson, Douglas Fairbanks jr. wird uns mit dem ersten Part in diesem Duo
bekannt machen: August Ruhs: Neurosen, in: Ders., Lacan. Eine Einführung in die
strukturale Psychoanalyse. Wien 2010, p. 66-76
18.11. Den Gegenpart zeigt uns der noch ungebremste Robert de Niro
in Mean Streets, USA
1973, R: Martin Scorsese, D: Harvey Keitel, Robert de Niro wofür wir einen
ersten zaghaften Blick in ein sehr weites Feld riskieren: Jacques Lacan, Sem. III (Les Psychoses), p. 195-205, Sitzung XIII.
25.11. Literaturwoche (keine Lehre)
02.12 Ein
Nachkriegswerk, dem wir gleichermaßen den Grund für seine damalige Berühmtheit
wie für seine heutige Vergessenheit ansehen: White Heat, USA 1949, R: Raoul Walsh, D: James
Cagney wird dieselbe Position des Gangsters verdeutlichen, die wir nun aus
der Perspektive der Diskursmatheme betrachten: Peter Widmer: Der
Kreislauf des Begehrens. Die vier Diskurse, in: Ders., Subversion des Begehrens,
Frankfurt am Main (Fischer) 1990
C. Das suspendierte
Begehren und das Symbolische
09.12. Aufstieg und Fall des Signifikanten beobachten wir an einem
nach einem Krimiklas-siker gedrehten Film: The Maltese Falcon, USA 1941, R: John Houston, D: Humphrey Bogart, Mary
Astor, Peter Lorre. Dazu lesen wir: Friedrich Kittler,
Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen. The Maltese Falcon von Dashiell Hammett. In: Jochen Vogt (Hg.), Der Kriminalroman.
Poetik, Theorie, Geschichte, München 1998, S. 416-427
16.12. Charley Varrick, USA 1973, R: Don Siegel, D:
Walter Matthau
06.01.2014 Wir beginnen das neue Jahr mit einem eleganten Thriller, dessen
Protagonist sehr im Gegensatz zu den Vorherigen steht: Le Samourai (Der eiskalte Engel), Frankreich
1967, R: Jean Pierre Melville, D: Alain Delon. Der Satz des allerersten Privatdetekti-ves der Weltliteratur, dessen Name nicht
zufällig französisch ist: „Die Polizei sieht nichts“, könnte uns hier auf eine
Fährte setzen. Literatur: Edgar Allan
Poe, The Purloined Letter
und das entsprechende Seminar Lacans: Der entwendete Brief in: Schriften I, S. 7–60
13.01. Die Spur der signifikanten Synchronie schlagen wir auch für
die Analyse von Reservoir Dogs, USA 1992,
R: Quentin Tarantino, D: Harvey Keitel, Tim Roth, Steve Buscemi
vor. Die bahnbrechende Darstellung Lacans der Geburt
des Subjekts via Alienation und Separation wird uns
hier leiten: Jacques Lacan, Sem. XI (Les
quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse), Sitzung
XVI (27.5.1964).
20.01. Und der Abgesang auf den Gangsterfilm Fallen Angels, Hongkong 1995, R: Wong Kar-wai D: Leon Lai, Takeshi Kaneshiro,
Michelle Reis, Charlie Yeung, Karen Mok wird uns, neben anderem, den Graph des Begehrens
und darin die existentielle Bedeutung des Steppunkts veranschaulichen: J.-B. Pontalis: zu
Seminar VI, in: Ders., Zusammenfassende Wiedergabe der Seminare
IV – VI von Jacques Lacan, S. 143 - 155
27.01. Dog
Day Afternoon (Hundstage),
Sigmund Freud, Die endliche und die unendliche
Psychoanalyse in GW?
03.02. Assault on Precinct 13 (Assault – Anschlag bei Nacht), USA 1976, R: John Carpenter, D: Austin Stoker, Darwin Joston,
Nancy Loomis
10.02. Mit Eastern Promises, Großbritannien / Kanada 2007, R: David
Cronenberg, D: Viggo Mortensen,
Vincent Cassel, Naomi Watts, Armin Müller-Stahl
stellen wir – gewissermaßen als cliffhanger – eine der umstrittensten Thesen der
Psychoanalyse zur Diskussion, die vielfältigen und innigen Beziehungen zwischen
Penis, Penisneid, Kinderwunsch und Aggressivität.
Freud: 3 Abhandlungen zur Sexualtheorie
Allgemeine Literatur:
Widmer, Peter: Die
Subversion des Begehrens. Eine Einführung in Jacques Lacans
Werk Wien 42012
Gerda Pagel: Jacques Lacan
zur Einführung. Hamburg (Junius) 1989
Kittler, Friedrich A.:
Grammophon Film Typewriter Berlin 1986
Lacan, Jacques: Schriften
3 Bde. Weinheim-Berlin 1991ff. (seitengleich mit der älteren Ausgabe
Olten-Freiburg im
Br. 1973-80)
Ders.: Das Seminar
Buch XI - Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse Berlin-Weinheim
41996, (insbes. Sitzungen 19.2. – 11.3.1964)
Münsterberg, Hugo: The Photoplay. A Psychological Study New York
1916 (Nachdruck: Leipzig 2013)
Pontalis, J.-B.: Zusammenfassende
Wiedergaben der Seminare IV-VI von Jacques Lacan.
Aus dem
Französischen von Johanna Drobnig, unter Mitarbeit
von Hans Naumann und Max Kleiner
Mit einem
Vorwort von Hans-Dieter Gondek. Hg. v. Hans-Dieter Gondek und Peter Widmer Wien 22009
Freud, Sigmund: Gesammelte Werke in achtzehn Bänden mit
einem Nachtragsband. Hg v. Anna
Freud,
Marie Bonaparte, E. Bibring, W. Hoffer, E. Kris und
O. Osakower Frankfurt
am Main 1999
(Standardausgabe, nach der in den meisten
Fällen zitiert wird)